Die Geschichte des WHG wurde seiner Zeit von Belinda Bergfeld zusammengefasst und ist nachfolgend zu lesen.
Die Geschichte des WHG
Die Lateinschule (1706 – 1818)
„Wir, Friedrich Wilhelm, Graf zu Wiedt, Herr zu Runkel und Isenburg fügen hiermit zu wissen, alss wir zur Ehre Gottes, zum Bau der Kirchen Christi, undt zum Auffnehmen unserer lieben Stadt Neuwiedt und gantzen Landes in Gnaden resolviret, eine Lateinische Schul anzurichten, damit die Jugend in Studiis humanioribus et Latinitate etc. besonders auch in Erkanntnus Gottes und daher fliessenden Christlichen Tugenten und guten Sitten wohl möge informirt, und so weit gebracht werden, bis diese Schüler hiernachst nach auswendigen Hohen Schulen mit desto grösserem Nutzen und wenigern Kosten verschickt werden können …“
Die Lateinschule Engerser Straße
Mit diesen Worten verfügte der Fürst zu Wied die Gründung einer Lateinschule in Neuwied und reagierte damit auf eine Eingabe von höheren Bürgern der Stadt aus dem Jahr 1706. Schulen seien „Pflanzgärten des geistlichen und weltlichen Regiments“, rechtfertigten diese den Antrag. Also solle der Fürst, der auch sein Regiment so gestützt sehen könne, die Mittel für Lehrer und ein Schulgebäude organisieren. „Weit und breit, weder dies- noch jenseits des Rheins noch auf der ganzen Mosel“ gäbe es bis dato eine Lateinschule. Dabei war Latein die Grundlage für den Besuch jeder höheren Schule.
Mit der Gründung der Schule im November des gleichen Jahres kam der aufgeschlossene Landesfürst der Forderung nach. Eine von ihm angeregte Umfrage hatte ergeben, dass 16 Kinder bereit seien, die neue Lateinschule zu besuchen. Er schenkte der Stadt „das sogenannte Schnitzlersche Wohnhaus in der Engerserstraße, als Unterrichtsstätte für die Neuwieder Lateinschüler und Wohngebäude für die Lehrer“[1].
Neben Latein sollte vor allem auch die Evangelische Lehre verbreitet werden. Eine Klasse und einen Lehrer, der zugleich der Rektor war, hatte die Schule. Die bis zu 25 Schüler wurden je nach Kenntnis in unterschiedlichen Gruppen unterrichtet, doch musste erst einmal Lesen und Schreiben sowie Biblische Geschichte beigebracht werden, bevor es ans Lateinische ging. Neben diesen Volksschulfächern sollte die Lateinschule die Grundlage für die höhere Bildung legen. Dies bedeutete: „viel Latein, etwas Griechisch und Hebräisch für die, die demnächst Theologie studieren wollten, und etwa in privatem Unterricht noch etwas Geschichte, Rechnen und Französisch für den, der wollte.“
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beeinflussten Aufklärung und Neuhumanismus die Schule. Das neue Bildungsziel hieß „gemeinnützige Kenntnisse“ zu vermitteln. Schon im Kinde sollte der Mensch geachtet werden, während zuvor Prügelstrafen und Nachsagen den Alltag prägten. „Nicht auf das Studium der Theologie vorzubereiten, war das Ziel [des Rektors], sondern gewandte Weltleute zu bilden, die, in höfischen Künsten und Sitten ausgebildet, durch moderne Sprachen und Wissenschaften geschult, einst hohe Stellungen bei Hofe, im Rate oder in Handelsgesellschaften vertreten könnten.“ Unterstützt wurde die Schulreform „von dem ungemein rastlosen und allseitig interessierten Grafen zu Neuwied Friedrich Alexander und seiner nicht minder geistig regsamen Gemahlin Karoline, Burggräfin von Kirchberg“. 1781 wurde der Pädagoge Basedow mit der Führung der Lateinschule betraut. Er war schon mit Goethe gereist und unterrichtete auch die Kinder des Grafen. Französisch und Mathematik, Geographie und Geschichte – diese modernen Fächer bereiteten auf das Leben als Weltmann vor.
Zwei Geistliche sollten das Schulleben unterstützen – doch bald verschlug es sie woandershin. „Dazu lehnten die Eltern vielfach den modernen Unterricht ab; sie wollten ihre Söhne auf die Universität vorbereitet sehen und dazu gehörte ein viel stärkerer und einseitigerer Lateinbetrieb. So ging der Schulbesuch zurück.“ Am Ende war der Lehrplan der alten Lateinschule wieder da.
Das Gymnasium (1818 – 1822)
„Nach einem neunjährigen nassauischen Interregnum war [die Grafschaft Neuwied] 1815 mit der preußischen Krone vereinigt worden.“ Der moderne Preußenstaat förderte die Industrialisierung und den Neuhumanismus. Der „vollkommene Mensch“ war das Erziehungsziel der Zeit. 1818 wurde ein evangelisches Gymnasium in Neuwied gegründet, „dessen Unterhaltsträger Stadt, Fürst und Staat zugleich waren; die Stadt erwarb zudem als Schullokal das Röntgen´sche Haus in der Pfarrstraße, welches damals als das schönste Haus der Stadt galt.“
Doch so fortschrittliche das Erziehungsziel war, die Karlsbader Beschlüsse als Zeichen der Restauration galten auch für Neuwied. Kritik an der preußischen Herrschaft war verboten und als 1820 im Geschichtsunterricht der Kampf der politischen Parteien in Rom zu sehr hervorgehoben wurde, monierte das preußische Ministerium.
Die 100 Schüler, mit deren Schulgeld man gerechnet hatte, kamen sowieso bei weitem nicht zusammen und so wurde das Gymnasium nach nur drei Jahren wieder geschlossen. Die Bilanz: Ganze zwei Schüler hatten ihr Abitur hier gemacht.
Seit 1919 war das heutige Gebäude des WHG als Lehrerseminar genutzt worden. Das königlich-preußische Lehrerseminar bildete noch bis 1926 Lehrer aus. Bis heute lautet der Name der Straße, an der der Haupteingang des WHG sich befindet: Seminarstraße.
Die höhere Bürgerschule (Realschule) mit Progymnasium (1825 – 1877)
Der von Bürgern geforderten Errichtung einer höheren Bürgerschule wurde 1825 endlich stattgegeben und die Realschule mit 60 Schülern eröffnet. Schulgebäude war „das alte Schulhaus der früheren Lateinschule, das Stadthaus an der Ecke der Markt- und Engerserstraße, an der Stelle des späteren Gymnasialgebäudes“.
1863 wurde das Gebäude vollständig neu errichtet und auch innerlich reorganisiert. Dies war bitter nötig gewesen, denn bis dahin fristete die Schule ein eher „kümmerliches Dasein“. Nun erfuhr sie „eine ungeahnte Entwicklung: Umfasste sie doch im Herbst 1877 nicht weniger als 293 Schüler, 193 evangelische, 70 katholische und 30 jüdische, darunter 161 aus der Stadt und 73 Auswärtige.“
Das Gymnasium mit Realprogymnasium (1877 – 1927)
Inzwischen war 1871 unter preußischer Führung der Deutsche Bund durch das Kaiserreich abgelöst worden. Die Industrialisierung nahm in Deutschland ab 1890 die Züge einer Industriellen Revolution an. Vielseitig gebildete Bürgerssöhne sollten Karrieren an der Universität, in den väterlichen Unternehmen, im Beamtentum oder Militär ermöglicht werden. Der gymnasiale Zweig der Realschule wurde nun zum Vollgymnasium ausgebaut.
Nur das Gymnasium befähigte damals seine Abiturienten zur Fortsetzung wissenschaftlicher Studien an der Universität; den Realschulabiturienten war nur das Studium der Mathematik und Naturwissenschaften und der neueren Sprachen zugänglich.“ 1901 wurden jedoch die höheren Schulen vereinheitlicht.
Durch jährliche Abschlussprüfungen, Feiern der nationalen Gedenktage, „sommerliche Ausflüge – nicht selten mit besonderem Dampfer“ – und Dichterfeiern sowie Limesführungen wurde der Schulalltag aufgelockert. Die „Pflege von Leibesübungen“ wurde verstärkt, 1882 der Turn-Ruder-Verein gegründet. Freiwilliges Turnen, Rudern und Wettspiele wurden von vielen Schülern angenommen. Bis zum Ausbruch des Weltkrieges ging alles „seinen ruhigen Gang. (…) Im äußeren Leben der Schule war, abgesehen von der Hochwasserkatastrophe im November/Dezember 1882, ihr Übergang an den Staat das wichtigste Ereignis.“
Doch der Krieg leerte schließlich die oberen Klassen auf traurige Weise. Auch für die Gebliebenen änderte sich das Schulleben: „Jugendkompanien wurden gebildet und einexerziert; Kommandos von Primanern und Sekundanern rückten jährlich zur Zeit des Hochsommers und Herbstes zum vaterländischen Hilfsdienst an, um Landwirten die fehlenden Erntearbeiter zu ersetzen“. Bei Verwundetentransporten mussten die Schüler im Lazarett Dienst leisten. Wertsachen und Recyclingstoffe zur Instandhaltung der Kriegsmaschinerie mussten gesammelt werden. „Es zog auch wohl mal eine Klasse mit ihrem Lehrer aus, um Brennnesseln zu schneiden, und im Sommer und Herbst 1918 rückte die ganze Schule Woche für Woche in die nahen Wälder, um Laub und später Bucheckern mit nach Hause zu bringen.“ Die schwere Grippe-Welle von 1918 machte die Not noch größer, die nächsten Tage marschierten Frontsoldaten durch die Stadt. Den „abrückenden Deutschen folgten fast auf dem Fuße die amerikanischen Besatzungstruppen“. Sie ließen sich im Gymnasialgebäude nieder, das erst im September 1919 wieder freigegeben wurde.
Ab 1919 erhielten auch Frauen das aktive und passive Wahlrecht im Rahmen der ersten deutschen Demokratie, der Weimarer Republik. Parallel dazu sollte nun auch Gleichberechtigung in der Schule herrschen: Nachmittags und vormittags wurden die Jungen der Schule und die Mädchen des Städtischen Oberlyzeums abwechselnd unterrichtet. Von einer Zusammenlegung der Schulen war allerdings keine Rede. Der Wiederaufbau bestimmte das Schulleben. 1920 konnte man endlich ins eigene Schulhaus zurückkehren. Durch die Einweihung des bis heute zu besichtigenden Kriegsdenkmals wurde den Toten gedacht.
Einerseits entfaltete sich ein musikalisches und kulturelles Leben an der Schule; andererseits hatte man mit der nach der Ruhrkrise einsetzenden Hyperinflation zu kämpfen. „Ruhe und Freiheit“ – so schließt der Bericht zur Schulgeschichte des Oberstudienrates Meiners, dem die hier dargestellten Zitate entnommen sind, dies waren die Ziele der Schule im Folgenden. 1927 zog die Schule in das im Jahr zuvor frei gewordene Gebäude des Lehrerseminars an der Engerser Landstraße um.
[1] Alle folgenden Zitate wurden entnommen aus: Dr. Wilhelm Meiners: Geschichte der Schule, Neuwied 1927.