DER ABITURJAHRGANG 2012
Pünktlich um 11.15 Uhr quäkte der Pop-Klassiker aus den Lautsprechern: Der schon während des ganzen Morgens ersehnte „Schulsturm“ mit dem die WHG-Abiturienten sich von ihren Schulkameraden verabschieden, brach herein…
Schon vor Unterrichtsbeginn waren die Schulzufahrten verbarrikadiert, Eintretende wurden eingenässt und abgestempelt, das Gebäude ähnelte großflächig einer Sitzecke um 14 Uhr, Werbeballons erschwerten den Zugang zum Lehrerzimmer.
Jetzt aber verlieh man endlich auf dem Schulhof der berechtigten Freude über das Abitur lebhaften Ausdruck: Ein über das andere Mal wurde ein heiteres Humba Täterä zelebriert und Wasser aus Pistolen gelassen.
Orientierungsstufenschüler taten es ihren bereits maturierten Kameradinnen und Kameraden gleich und probten schon einmal mit eigenen Wasserschlachten ihren Schulsturm.
Nach 13 Uhr kehrte Ruhe ein und das Gebäude war weitgehend geräumt: Die Abiturientia bereitet sich auf die Entlassungsfeier vor.
Nachdem Alexander Rühle mit der Regentropfen-Prélude von Chopin für einen fließenden Übergang von der christlichen zur weltlichen Feier gesorgt hatte, begrüßte Frau Pinger die Gäste: 121 Abiturienten mit Eltern, Freunden und Verwandten und deren Lehrer.
In ihrer Festrede griff sie das Abiturmotto „Abi looking for freedom“ auf, um zunächst zur frisch gewonnenen Freiheit von der Schule zu gratulieren. Hiermit aber, so gab sie zu bedenken, erschöpfe sich der Freiheitsbegriff noch nicht. Gehe man davon aus, dass sich Freiheit als Wahlmöglichkeit ohne innere und äußere Zwänge definiere, so sei es jetzt Aufgabe der Abiturienten, sich in ihrer Freiheit für etwas einzusetzen, um erst so persönliche Autonomie zu gewinnen. „Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück, gehört es dir für immer“, zitierte sie abschließend Konfuzius. Dies in der Hoffnung, dass die nun zu Entlassenden nach einer Zeit der Distanz wieder den Kontakt zu ihrer alten Schule aufnehmen mögen, um mit neu gewonnener Lebenserfahrung die schulische Arbeit bereichern zu können.
Zunächst aber waren die Zeugnisse auszuhändigen. Erst mit dem Empfang des Abiturzeugnisses endet das Schulverhältnis – die Freiheit tritt offiziell in Kraft. Diese Aufgabe wurde von den Stammkursleitern gerne wahrgenommen, schließlich weisen 15 Zeugnisse einen Notenschnitt mit einer 1 vor dem Komma auf. Das beste Abitur legte dabei Alexander Rühle mit der Traumnote 1,0 ab.
Dann ehrte Frau Pinger im Auftrag des „Vereins der Freunde, Förderer und ehemaligen Schüler“ besonders engagierte jetzt schon „Ehemalige“: Christian Au, Hannah Frinken, Nadine Gottschalk , Hannah Schneider, Lotta Hüwe, Christina Boden, Janine Heck, Andreas und Clemens Fischer, Matthias Dreydoppel, Matthias Gröber,Elias Zervudakis und Alexander Rühle durften sich über ein Buchgeschenk freuen.
soziales Engagement und Einsatz im Schulleben und den der Deutschen Mathematischen Gesellschaft für das beste Matheabitur. Alexander Eslam (Gesellschaft der Chemiker), Daniel Heimfahrt und Matthias Dreydoppel (Deutsche Physikalische Gesellschaft) und noch einmal Alexander Rühle (Verband der Biowissenschaften und Biomedizin) erhielten Preise für ihre fachlich herausragenden Ergebnisse.
Dass Teamgeist und Trainingsfleiß zu Erfolgen für Sportler und „Partnerschule des Sports“ gleichermaßen führten, wurde bei den nächsten Ehrungen deutlich: Matthias Gröber (Leichtathletik, Rudern), Esther Gerhardt, Lotta Hüwe, Philipp Alsdorf, Ilka Lauterbach und Markus Bußmann hatten nicht nur das WHG häufig beim Bundesfinale „Jugend trainiert für Olympia“ vertreten, sondern es sogar im Beachvolleyball auf das Siegerpodest geschafft.
Zwei Ansprachen, die den roten Faden der Freiheitssuche wieder aufnahmen, folgten. Herr Wüst als Vertreter des Lehrerkollegiums bedankte sich bei der Abiturientia für die bereichernde Zusammenarbeit: Freiheit bestehe auch darin, sich eine Lebensaufgabe zu suchen, die in Teamarbeit unter Wahrung der jeweiligen Identität angegangen werden könne.
Christian Au brachte nach einem kurzen Rückblick auf die Schulzeit den berechtigten Stolz der Abiturienten auf das Erreichte zum Ausdruck. Doch richtete er gleichzeitig den Blick nach vorn, zahlreiche Herausforderungen zeichneten sich in der Zukunft ab. Denen, so versprach er, werden man sich stellen – in Freiheit.
Alexander Rühle und Chopin (Fantaisie impromptue) waren es, die den Nachmittag beschlossen. Der Entlassungstag selbst endete erst weit nach Mitternacht: Die Abiturientia hatte zum „Abiball“ geladen …
(hw)
Wir danken Herrn Niebergall dafür, dass er uns ein Pressefoto zur Verfügung gestellt hat:
Die Abiturrede von Frau Pinger im Wortlaut:
Sehr verehrte Eltern der diesjährigen Abiturientia,
sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr verehrten Gäste,
liebe Abiturientinnen und Abiturienten,
Seien Sie alle herzlich begrüßt in diesem wunderschönen Saal der evangelischen Brüdergemeine, den sicher eine ganze Reihe von Ihnen bereits als Konzertsaal genossen, als Versammlungsstätte für Gebete und den Gottesdienst generell in dieser Gemeinde erlebt haben, oder – wie wir ihn alle vorhin – mit Ihnen, unseren Abiturienten, zu einer religiösen Dankfeier nutzen durften. Hier ist vor allem Herrn Kaplan Weller zu danken, der unseren Schulpfarrer, Herrn Eckert, und die Abiturienten aus mehreren Religions- und Ethikkursen bei den Vorbereitungen und der gelungenen Durchführung unterstützt hat.
Unser besonderer Dank geht an den Hausherrn, Herrn Pfarrer von Dressler und den Rat der Gemeinde, der uns diese Möglichkeit eröffnete.
Alexander Rühle, auch ein Mitglied dieser Abiturientia, hat uns virtuos mit der Regentropfen- Prélude op. 28 no. 15 in Des-Dur von Frederic Chopin begrüßt und dem feierlichen Anlass angemessen zu diesem Teil des Festaktes übergeleitet.
Für das Werner Heisenberg Gymnasium ist es eine Premiere, das Ende der neunjährigen Schulzeit eines Abiturjahrgangs in diesem beeindruckenden Ambiente zu feiern. Bereits seit vielen Jahren war es nicht mehr möglich, den offiziellen, feierlichen Abschluss in der schuleigenen Aula zu begehen, die Reifezeugnisse in Gegenwart der Lehrerschaft und der Eltern in dem Umfeld zu überreichen, in dem die dokumentierten Leistungen auch erworben wurden, in dem gelebt, gespielt, gelernt, sich gefreut, gestritten, gelitten und diskutiert wurde. Die Anzahl von 50 oder 60 Abiturienten war noch vertretbar, doch wenn wir die 10 letzten Jahrgänge betrachten, inklusiv dem heutigen mit 121 Absolventen, wird deutlich, dass die WHG-Aula nicht nur wegen der großen Zahl, sondern mit Sicherheit auch wegen der ihr eigenen eher bescheidenen Ausstattung und ihres eher weniger ehrwürdigen Flairs mit dieser Lokalität hier nicht mithalten kann.
Sie – liebe Abiturientinnen und Abiturienten – haben diese Aufwertung verdient. Eine beträchtliche Anzahl von Ihnen hat eine Matura hingelegt, die besser nicht sein kann, 15 von Ihnen haben die 1 vor dem Komma. Sie alle hier haben bestanden mit einem Ergebnis, für das Sie – natürlich in unterschiedlicher Intensität – hart gearbeitet, sich permanent oder auch nur sporadisch zur Decke gestreckt und vor allem im letzten Jahr und noch deutlicher in den letzten Wochen viel an Zeit, Arbeit und Energie investiert haben.
Es hat sich gelohnt, und so werden diese 121 junge Damen und Herren in knapp einer Stunde die Zeugnismappe alle in Händen halten, deren Inhalt impliziert, was Sie – so möchte ich es einmal hier interpretieren – in Ihrem Abiturmotto als erstrebenswertes Ziel, als eigentlich nicht hoch genug zu schätzender Wert zum Ausdruck bringen: nämlich die Freiheit! Ein Motto zu wählen, das punktgenau zur Aktualität unseres Landes passt, zeugt von kluger Voraussicht, Kalkül und Weitblick. Denn unser neuer Bundespräsident Joachim Gauck ist eng mit diesem Begriff verbunden, auch wenn er etwas andere Notionen mit Freiheit verbindet als Sie nach Beendigung Ihrer Schulzeit mit dem Abitur. Ich unterstelle Ihnen also nicht, dass Sie Joachim Gaucks Freiheitskampf gegen ein diktatorisches, den Menschen und seine Rechte einengendes System mit Ihrer Situation am WHG vergleichen, von dem Sie sich befreien mussten. Bleiben wir doch mal bei Ihnen und IhremFreiheitsstreben.
Für junge Menschen wie Sie kann sich das Verlassen der Schule nach neun Jahren – bei denen, die alles besonders gründlich machen, waren es vielleicht auch zehn – gar nicht anders anfühlen. In den letzten Wochen konnten Sie das schon ein wenig üben: kein fester Stunden-plan mehr, kein pünktliches Erscheinen im Unterricht mehr, keine Hausaufgaben, kein Terminplan mit Blick auf Kursarbeiten, vielleicht nur noch das eine oder andere Date mit dem Lehrer der mündlichen Prüfung oder mit den Schulkameraden, mit denen man sich zusammen vorbereitete und paukte. Und dann waren da ja auch noch die Termine für die Vorbereitung der Abizeitung, des gestrigen Tages und des heutigen, der mit Ihrem großen Abiball in Heimbach den wirklichen, endgültigen Schlusspunkt unter das Thema Schulausbildung setzen wird. Dann geht es aber endlich los mit der Freiheit.
Oder? Schnell noch mal bei Brockhaus oder Wikipedia nachschauen – genau so wie Sie das im Vorwort Ihrer Abizeitung gemacht haben. Da findet man nämlich die Definition:
Freiheit (lateinisch libertas) wird in der Regel verstanden als die Möglichkeit, ohne innere oder äußere Zwänge zwischen verschiedenen Möglichkeiten entscheiden zu können. Der Begriff benennt allgemein einen Zustand der Autonomie eines Subjekts. (Zitat Ende)
Aha! Dann ist ja alles klar! Ohne innere und äußere Zwänge…und zwischen verschiedenen Möglichkeiten. Soweit die Theorie.
Mit 18 oder 19 – und dann auch noch mit Abitur – stehen einem angeblich alle Wege offen. Wenn dem so ist, hat man die Qual der Wahl. Und wenn alles möglich scheint, weckt das nicht überhöhte Erwartungen? Ausbildung, Studium, Karriere, Traumjob, Traummann, Traumfrau, Kinder, – vielleicht auch in einer anderen Reihenfolge – von allem das volle Programm zu wollen, ist wahrscheinlich kein Konzept, das aufgeht.
Was wirklich am wichtigsten ist, wissen viele von Ihnen jetzt nach dem Abitur noch nicht so richtig. Im Ergebnisbericht einer Umfrage des Zukunftsinstituts in Heidelberg unter 16- bis 35-Jährigen zu ihren Lebensentwürfen ist von einer „Pluralisierung der Lebensstile“ die Rede. Die Generation habe eine Sowohl-als-auch-Mentalität. Nur wenige träfen eine Entweder-oder-Entscheidung.
Aber bis wann soll oder muss man sich entschieden haben? „Den ultimativen Zeitpunkt gibt es nicht. Das ist ein Prozess“, sagen Experten. Nur so viel: Gedanken zum Berufswunsch sollten sich Gymnasiasten ungefähr ab der neunten oder zehnten Klasse machen.
Dabei gilt: je konkreter, desto besser. Ruhig Termine setzen. Bis wann will ich was erreicht haben? Wer Meilensteine schon in der zehnten und dann bei der Leistungskurswahl in der Stufe 11 anvisiert, hat vielleicht schon Weichen gestellt und sein Ziel jetzt klarer vor Augen – auch wenn es noch eine ganze Reihe von Unbekannten gibt.
Es gab Zeiten, in denen der Lebenslauf schon bei der Geburt feststand. Ein Konzept für Mädchen erübrigte sich. Der jüngste Sohn wurde Pastor, die mittleren wandten sich dem Militär, dem Kriegsdienst zu oder gingen nach dem Erlernen eines Handwerks auf die Walz, der älteste erbte den größten Batzen und trat in Vaters Fußstapfen. Das ist heute zum Glück anders… oder doch ein Unglück für manchen Vater?
Sie, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, haben so viele Freiheiten wie kaum eine Generation vor Ihnen. Wirklich zum Glück? Da sind sich die Experten nicht so sicher. Denn zu viel Freiheit kann einem zu diesem Zeitpunkt, an dem Sie jetzt sind, auch ganz schön zu schaffen machen.
Die Freiheit, nach dem Abitur endlich selbst entscheiden zu können, was man im Leben macht, ist schon überwältigend. Jedoch stößt diese Freiheit auch an ihre Grenzen, denn nach Richard von Weizsäcker, einem unserer früheren Bundespräsidenten, der nicht zurücktrat, ist die Freiheit kein Geschenk, von dem man billig leben kann, sondern Chance und Verantwortung. Die Welt verändert sich rasant und damit die Herausforderungen, für die wir – und jetzt vor allem Sie – gerüstet sein müssen. Denn heute schon und noch mehr in der Zukunft hängen Innovationen, Wachstum und der daraus resultierende Wohlstand einer Gesellschaft maßgeblich von der Art und Qualität der Kompetenzen, also von Befähigungen ab, die aus Bildungsprozessen resultieren. Und dieser Bildungsprozess ist – das wollte ich nicht als desillusionierendes Moment hier einbauen – noch lange nicht abgeschlossen und wird es, wie auch Sie verehrte Eltern und Kollegen es tagtäglich feststellen, wohl nie sein.
Aber wir haben bei Ihnen allen auf Ihrem Weg durch das WHG – und waren es auch nur die letzten drei Jahre – doch wohl einiges angestoßen und mit auf den Weg gegeben. Sie haben durch Ihre Arbeit in bestimmten Fächerkombinationen, immer abhängig von Ihrem Einsatz, Ihrem Interesse, bestenfalls sogar Ihrer Freude an Fachinhalten, besondere Fähigkeiten entwickelt, die vielleicht jetzt schon wegweisend geworden sind und Sie in eine bestimmte Richtung eingenordet haben, oder aber die Streuung ist so groß, die Neigungen so vielfältig, dass Sie vor dieser berühmten Qual der Wahl stehen und es Ihnen noch nicht einmal als „die Freiheit zu wählen“ bewusst wird, sondern eher als ein Zwang, Prioritäten zu setzen.
„Prioritäten setzen“ – das sind ein schlauer Begriff und gewiss auch ein oft zu empfehlender Rat. Ihn anzuwenden bedeutet gut nachzudenken, abzuwägen, aber auch zu wagen.
Sie alle, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, haben tief im Innern eine Lebensvision. Ist sie Ihnen nicht bewusst, kann das unglücklich machen. Ist Sie Ihnen bewusst, werden Sie Zweifel auf dem Weg dorthin begleiten, ob ein anderer nicht doch vernünftiger gewesen wäre.
Familie? Karriere? Hobby? Doch ein entweder oder?
Es ist durchaus möglich, verschiedene Ziele zu verfolgen – solange sie einander nicht entgegenstehen.
In den meisten Fällen gibt es zwei wesentliche Prioritäten: Familie und Beruf. Es gab Zeiten, in denen beides nicht vereinbar war. Und das galt nicht nur für die Frauen. Aber die gesellschaftlichen Paradigmen haben sich geändert.
Es gibt heute keine formelle Einführung in die Gesellschaft, wie das in vielen anderen Kulturen üblich ist. Ein kurzes Ausklinken nach der Schule hilft vielleicht dabei, sich über die eigene Lebensvision klar zu werden. Vielleicht gehen einige von Ihnen zunächst ein wenig auf Abstand, Urlaub, Auslandsjahr, „work and travel“, freiwilliges soziales Jahr und Ähnliches und beschließen nicht vorschnell, einfach alle üblichen Karriereziele anzustreben, die etwa die Werbung einem vermittelt.
Die Schullaufbahnberatung am WHG, die Möglichkeit zu einem Praktikum in der MSS 12, die Chance eines Frühstudiums, der Einblick in Fachhochschulen und Universitäten, all das oder Teile davon haben Ihnen vielleicht bei der Orientierung geholfen, oder aber, all das war nicht notwendig, weil Ihr Traum, Ihre Idee vom Leben nach dem Abi, Ihr Entschluss schon lange präsent sind und feststehen und Sie jetzt endlich loslegen können.
Ein Leben in Freiheit!
Ich bin mir sicher, dass Sie in einigen Jahren, oder auch schon viel früher, die Erfahrung machen werden, dass die Freiheit, die Sie – wenn vielleicht auch nicht immer so empfunden – in der Schulzeit genossen haben, im Nachhinein und im Vergleich doch im höheren Maße gegeben war.
Sie sind diesem Begriff im Unterricht begegnet, in der Geschichte, in der Sozialkunde, in der Ethik, in Deutsch und weiteren Fächern.
Spätestens beim Auftauchen unseres großen deutschen Freiheitsphilosophen Immanuel Kant haben Sie erfahren, dass zur Freiheit als unbedingtes Pendant auch das sittliche Bewusstsein, die Verantwortung, die Würde, gehört und dass die Freiheit die Pflicht umfasst, sie, die Freiheit, immer wieder zu sichern.
Und da verstehen leider viele die Freiheit falsch – auch von meiner Generation, noch älteren und auch jüngeren Generationen: Sie heißt nicht, sich gehen lassen zu dürfen; sie heißt nicht, die anderen und den Staat ausbeuten zu dürfen; sie heißt nicht, maßlos verschwenderisch umzugehen mit den natürlichen Ressourcen; sie bedeutet nicht, Ökonomie so zu betreiben, dass die Finanzkrise dabei herauskommt.
Und jetzt kommen Sie ins Spiel. Nicht dass wir erwarten dürfen, dass Sie, die kommende Generation auf dem Arbeitsmarkt, in der Industrie, in der Wirtschaft, in Wissenschaft und Entwicklung, im universitären und schulischen Bereich alles richten könnten, was in der Vergangenheit verbockt wurde. Erwarten können wir es nicht, aber hoffen, dass mehr von Ihrer als von unserer Generation die Zeichen der Zeit erkennen und mutiger sprechen und handeln als es bisher geschehen ist. Sie sind darauf vorbereitet und ich traue es Ihnen zu. Viele von Ihnen haben gut und hart gearbeitet, Leistungen erbracht und auch dadurch erkannt, dass Engagement – Identität und Würde verleiht und nicht zuletzt dadurch Ihre Zukunft in Freiheit sichert.
Liebe Abiturientinnen und Abiturienten. Es mag sein, dass diese tiefsinnigen, aber doch mit großem Bedacht für Sie gewählten Worte von Ihrer Freude und berechtigtem Stolz und der Ungeduld auf den Empfang des bisher wichtigsten Dokuments in Ihrem Leben – neben dem Führerschein natürlich – überlagert werden. Und so ist es auch Zeit für deren Aushändigung, die mit meinen Glückwünschen und auch denen der gesamten Schulgemeinschaft verbunden ist.
Gratulieren möchte ich aber auch Ihnen, verehrte Eltern, die Sie nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass wir heute feiern können.
Denn Sie haben Ihre Kinder über die gesamte Schulzeit hinweg unterstützend begleitet, haben Schulfreuden und –sorgen Ihrer Kinder hautnah miterlebt. Sie haben entscheidenden Anteil am heutigen Erfolg.
Eigentlich haben auch Sie ein kleines Abizeugnis verdient, doch werden Ihr Beitrag und Ihre Leistung in unserer Schul- und Abiturprüfungsordnung einfach nicht berücksichtigt, vor allem nicht die Bemühungen einiger weniger von Ihnen, die dazu führten, dass der Abiball heute Abend in der Art und Weise stattfinden kann, wie die Abiturienten es sich wünschten.
Ich gratuliere auch den Lehrerinnen und Lehrern des diesjährigen Abiturjahrgangs, die durch ihr Engagement innerhalb und außerhalb des Unterrichts die Grundlage für diesen besonderen Tag gelegt haben, die in so manchem persönlichen Gespräch sich Ihrer Sorgen und Nöte angenommen, Sie gestärkt, aufgebaut und in einigen Fällen Ihnen auch mal „den Kopf gewaschen“ und im übertragenen Sinne mal „in den Allerwertesten getreten“ haben.
Hier noch ein paar abschließende Hoffnungen:
Ich hoffe, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, dass Sie unsere Schule mit dem Gefühl verlassen, hier ernst- und wahrgenommen worden zu sein, dass Sie sich neben den Tadeln, die Sie hier und da vielleicht über sich ergehen lassen mussten, auch an manches Lob erinnern, das Mut gemacht und angespornt hat.
Ich hoffe, dass unsere Schule Sie zu Kritikfähigkeit geführt hat, die auch in der Lage ist, konstruktiv zu sein und Konsens zu finden; denn Mäkelfähigkeit besitzt heutzutage auch jeder – unabhängig von seiner Bildung – im Überfluss.
Ich hoffe, unsere Schule hat Ihnen Lebensmut und Vertrauen in die eigene und in die Stärke unserer demokratischen Gesellschaft vermittelt, an der Sie – und das ist eine Aufforderung – noch viel verbessern sollten.
Ich hoffe, sie hat ihren Sinn für die Spiritualität des Menschen entwickeln können und Sie zu Menschen erzogen, die sensibilisiert sind für Fragen des Glaubens, zu Menschen die, wenn sie selbst möglicherweise auch nichts mit dem Glauben an einen Gott zu tun haben, fähig sind, den Glauben anderer zu tolerieren, zu achten und ihn nicht abzutun.
Ich hoffe, dass unsere Schule Ihren Teil dazu beigetragen hat, Sie zu Menschen zu machen, die nicht nur den Blick auf sich richten, sondern auch den Mitmenschen im Blick behalten.
Ich hoffe, dass – obwohl alle von Ihnen einen unterschiedlichen Weg gehen werden – Kontakte innerhalb dieser Stufe aufrecht erhalten bleiben. Das Zusammengehörigkeitsgefühl wird im Laufe der Zeit naturgemäß schwächer – vorgestern Abend beim Aufbau und gestern bei der Aufräumaktion und Beseitigung der Spuren nach dem Abisturm hat es jedenfalls noch hervorragend funktioniert.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einen bescheidenen Wunsch äußern, es ist auch der Wunsch Ihrer fast ehemaligen Schule: Ich wünsche mir, dass Sie sich nach einer gewissen Zeit der Abnabelung vom WHG wieder einmal melden – beim heutigen Stand der Kommunikationstechnik und Ihren Kenntnissen in diesem Bereich ist das sicher kein Problem – und dass Sie uns rückmelden, was aus Ihnen wird oder schon geworden ist, was aus Ihrer Schulzeit hier, Ihnen geholfen hat, was hilfreich war im Studium oder in der Berufsausbildung oder auch was die Schule viel mehr hätte leisten müssen –– weil die neuen Studenten oder Auszubildenden vielleicht andere Voraussetzungen brauchen. Solche konkreten und persönlichen Rückmeldungen und Kontakte wären für die Schulentwicklung und ihre Programme sinnvoller und pragmatischer als manche Verordnungen von oben, die nicht immer nachvollziehbar und hilfreich sind.
Liebe Abiturientia 2012, der chinesische Philosoph Konfuzius hat gesagt: „Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück, gehört es dir – für immer.“ In diesem Sinne lassen wir, und gewiss auch Ihre Familien, Sie in die Welt gehen, in der Hoffnung, dass Sie immer wieder auch aus der Ferne die Nähe zu Ihrer Heimat und zum Werner Heisenberg Gymnasium bewahren können.
Ich gratuliere von Herzen zum bestandenen Abitur und wünsche Ihnen für Ihre Zukunft privat und beruflich aufrichtig alles Gute.