Zeitzeugengespräch mit Frau Henriette Kretz – eine Stimme für die Kinder, die nicht überlebt haben

Andächtig still lauschten Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 9 – 12, zu Gast in der Aula des RWG, Frau Henriette Kretz, die ihre Geschichte erzählte, die Geschichte eines zum ,,Tode verurteilten Kindes”.

Geboren 1934 in Polen verlebte sie zunächst eine recht idyllische Kindheit, die mit Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 und dem Einmarsch der Deutschen ein jähes Ende nahm. Die Flucht nach Lemberg, Ausgrenzung, Diskriminierung sowie die ständige Angst, erschossen zu werden, bestimmten nun zunehmend ihren Alltag. Prägend war die Erfahrung, zusammen mit ihren Eltern und zahlreichen weiteren jüdischen Einwohnern vor den Augen von Passanten wie Verbrecher abgeführt zu werden.

Dass sie überhaupt überlebte, ist zum einen der unermüdlichen Kraft ihrer Eltern zu verdanken, denen es immer wieder gelang, das Leben ihrer Tochter so gut es ging zu schützen. Zum anderen gab es auch ,,Helden“, also Menschen, die der Familie Kretz unter Lebensgefahr halfen, sie zum Beispiel in einem Kohlekeller versteckten.

Gegen Ende des Krieges wurde die Familie in ihrem Versteck aufgespürt. Henriettes Eltern wurden in ihrem Beisein erschossen, ihr gelang die Flucht. Im Alter von 9 Jahren war sie vollkommen allein. Das Kriegsende erlebte sie im Waisenhaus von Lemberg, wo ihr und auch auch weiteren verfolgten Kindern durch Schwester Celina Schutz gewährt worden war.

Aus dem Glück, doch überlebt zu haben, welches vielen Kindern ihrer Generation verwehrt blieb, hat sich Henriette Kretz, die heute in Antwerpen lebt, eine Aufgabe gemacht. Sie besucht – inzwischen im Alter von 91 Jahren – Schülergruppen, um ihre Geschichte zu erzählen und den direkten Austausch mit der jungen Generation zu suchen.

Sehr eindrucksvoll verwob Henriette Kretz ihre Erinnerungen mit tagesaktuellen Beispielen. Ihre klare Botschaft: ,,Überall, wo Krieg herrscht, Hass und Diktaturen entstehen, wiederholt sich die Geschichte und die Kinder leiden am meisten.“ Henriette Kretz war, wie sie selbst sagt, ein zum Tode verurteiltes Kind, weil Menschen Menschen das Recht absprachen, zu leben. Und so stellte Frau Kretz abschließend ihren persönlichen Grundsatz heraus, in dem es für Hass keinen Platz gibt: ,,Die Erde ist für alle da.”

Text und Foto: Svenja Kupper