Hastings 2024: Teatime, Tube and 1066

Sonntag, 23. Juni: Fünf-Länder-Fahrt und Fähre

Am Sonntagmorgen schon um fünf Uhr aufstehen? Geht ja gar nicht – außer man geht auf große Fahrt!

Treffen ist um 6:10 Uhr am WHG. Um 6:30 Uhr hat Oliver, so heißt der Busfahrer, alle 70 Reisetaschen in seinem silbernen Doppeldecker deponiert, die Reisepässe sind zum Einscannen eingesammelt und die Eltern winken lächelnd zum Abschied. Warum freuen die sich so?

Die Fünf-Länder-Fahrt beginnt in Deutschland, klar. Dann geht es durch die Niederlande, Belgien und Frankreich. Die Reise nach England dauert insgesamt gut 13 Stunden, davon 90 Minuten auf der „Spirit of France“, einer Riesenfähre, 200 Meter lang, 30 Meter breit und auf dem Open Deck von der Sonne geküsst. Jetzt schon eincremen?

18:30 Uhr, Hastings, Aldi-Parkplatz. Herr Paddags und Frau Kiefer haben die Kids sauber nach Gastfamilien geordnet in 22 Buchten geparkt. Ordnung muss sein! Frau von Gumpert und Herr Brunner sind mit Bus und Fahrer verschwunden, denn Oliver muss seine Lenk- und Ruhezeiten einhalten.

Da kommen die Gasteltern mir ihren Autos. Die Gasteltern parken ein, die Kids verlassen ihre Parkbuchten, die Begrüßung ist freundlich und erfreulich gesprächig.

Fast alle bekommen Pizza for Dinner.

Day 1: Mission accomplished!

Montag, 24. Juni: Pick-Up-Points und 1066

Was ist ein Pick-Up-Point?

Vier davon werden jeden Morgen ab 8:00 Uhr angefahren. Am Pick-Up-Point Four sind dann alle im Bus und das Tagesprogramm beginnt.

Erst mal: Strand! Die Sonne scheint, das Meer lockt und die WHG-Kids sind rundum zufrieden. „Wie war die erste Nacht in den Gastfamilien?“ „Richtig gut war es. Die waren sooo nett!“

Doch der Montag ist nicht nur Strand, Sonne und Schwärmen. Monday is 1066-Day! DAS Datum in der Geschichte Englands. William the Bastard aus der Normandie schlägt den englischen König Harold und wird zu William the Conqueror. William wird in der Westmister Abbey zum King of England gekrönt. Wer fortan etwas zu sagen hat in England spricht plötzlich nur noch Französisch. Nun heißt das tote Schwein auf dem Teller „pork“ statt „pig“, denn der adelige Ex-Normanne muss ja verstehen, was der englische Diener ihm vorsetzt.

Die WHG-Kids lernen das alles in dem interactive theatre play „Who are the English?“ (vormittags) und schließlich vor Ort in BATTLE (nachmittags). Ja, der Schauplatz der berühmten Schlacht war nicht IN Hastings, sondern BEI Hastings – und heute heißt er „Battle“.

19:00 Uhr: Die Pick-Up-Points werden zu Drop-Off-Points und die mission is accomplished. (Das war Denglisch.)

Dienstag, 25. Juni: London –– Greenwich, Themse, London Eye; doch leider …

Eigentlich ist auch der Dienstag ein guter Tag. Schon auf dem Weg zu den Pick-Up-Points küsst die Sonne wieder das Antlitz der Kids. Und bei bester Laune geht’s nach London.

Nach etwa zwei Stunden im klimatisieren Bus ist Team WHG im Greenwich Park – mit dem rechtem Fuß auf der östlichen, mit dem linken Fuß auf der westlichen Hemisphäre. Aber noch viel besser: „Boah, krass, der Blick von hier oben!“

Unten, im riesigen National Maritime Museum, wird gerade umgebaut. Soll das jetzt ein Irrgarten werden? Two kids are lost and found.

Abgesehen von Nullmeridian und Maritime Museum interessiert die Neuwieder in Greenwich z.B. ein Tesco Supermarkt, der Greenwich Market und ein riesiges Segelschiff namens Cutty Sark.

Nach einer Stunde Free Time geht es dann aufs Wasser: Man macht „city experiences“ vom Open Deck eines Thames Cruise Ship. Als das Schiff sich auf die Tower Bridge zubewegt, hält es keinen mehr auf dem Sitz! Krass! Nur die sengende Sonne zwingt den einen oder die andere unter Deck in den Schatten.

Endstation der Thames River Cruise ist Westminster. Ein Matrose erklärt in seinem live commentary, dass Big Ben für die meisten Menschen praktisch unsichtbar ist, doch dann hört man ihn – oder sie? Und jeder erkennt die Melodie.

Der WHG-Trupp schiebt sich über die Westminster Bridge und kommt vor 239.810 Herzen zu stehen. Es ist die National Covid Memorial Wall. Alle werden für einen Moment etwas ruhiger. Dann geht der Blick über die Themse: The Houses of Parliament. Rote Markise = House of Lords. Grüne Markise = House of Commons. Früher war hier mal die Königsresidenz. Doch dem stank die Themse dann doch zu sehr.

15:45 Uhr: A flight on the London Eye. Ja, die nennen er wirklich „Flug“. Aber dreht sich das Ding überhaupt? Die 32 voll klimatisierten Kapseln drehen sich ganz langsam, aber immerhin doppelt so schnell wie der Minutenzeiger einer Uhr. Nach 30 Minuten ist der Flug dann also vorbei. Und, hat es sich gelohnt? Auf jeden Fall!

Ein beindruckender erster Tag in London, doch dann kommt das dicke Ende. Stuck in der Tube. 70 Neuwieder gucken in die Röhre. Die U-Bahn kommt nicht. Signal failure on the Jubilee Line. Nach drei Stunden sehen die Neuwieder endlich wieder ihren geliebten silbernen Reisebus und fühlen sich auf ihren sicheren Sitzen so geborgen wie zu Hause.

21:30 Uhr: Picknick auf dem Sainsbury’s Parkplatz. Hunger und Durst sind gestillt, die Nacht ist warm, der Parkplatzboden auch. All’s well that ends well!

Day 3: Mission accomplished.

Mittwoch, 26. Juni: Beachy Head und Brighton

Was für ein entspannter Start in den Tag! Spaziergang entlang der weißen Steilküste von Beachy Head nach Birling Gap. Die knapp vier Kilometer lange Strecke belohnt mit fantastisch-bombastischen Ausblicken auf die weißen, bis zu 162 Meter hohen Kalkklippen. Ganz da unten im Wasser steht ja sogar ein Leuchtturm! Hoffentlich geht keiner zu nah an die Abbruchkante. Ist die Hälfte von dem Haus da wirklich ins Meer gekracht?

In Birling Gap gilt: Nur bis zu den Knien ins Wasser! Doch dann rutscht Einer aus, fällt um und Andere fallen gerne hinterher; und es wird sportlich aber leicht: Liegestütze im knietiefen Atlantik!

Am Nachmittag in Brighton: Shopping at Sainsbury’s and picknick in the park.

Beim Picknick geht der Blick auf den Royal Pavilion und man fühlt sich wie in Indien. Das an einen indischen Mogulpalast erinnernde Gebäude wurde für Prince George Anfang des 19. Jahrhunderts erbaut. Der war ein Party-Prinz und wollte sich ungesehen von seinem langsam wahnsinnig werdenden Vater King George III im Seebad Brighton amüsieren.

Und Brighton ist perfekt zum Amüsieren, auch für die WHG-Kids und besonders an einem Sommertag wie heute. So heißt es noch Sonne, Strand und Oberlippenbärte.

Was für ein toller Tag! „Kann man, wenn man sitzen bleibt, eigentlich noch mal mit nach Hastings fahren?“ Kein Kommentar! But what an accomplishment!

Donnerstag, 27. Juni: London Revisited

Das kann doch nicht wahr sein! „Service on the Jubilee Line between Waterloo and Stratford is suspended.” Schon wieder warten auf die Underground. Diesmal aber nur 20 Minuten.

Um 10:30 Uhr steht Team WHG vor Number 10 Downing Street. Hier wohnt und arbeitet der Tory Premierminister Richi Sunak – noch. Die Sicherheitsbeamten mit ihren Maschinenpistolen sehen so aus, als meinten Sie es ernst. Sicherheitshalber gehen alle schnell weiter zur Horse Guards Parade. Leider geschlossen. Staatsempfang. Dann halt wieder ein Stück zurück und durch den St. James‘s Park zum Buckingham Palace. „Kriegen die Wachsoldaten da viel Geld dafür, dass die das machen müssen?“ Die Lehrer bleiben eine gute Antwort schuldig, meinen aber, es sei halt eine Ehre. Aber es beeindruckt die WHG-Kids schon, wie akkurat und mit welchem Pflichtbewusstsein die Footguards der Household Division mit ihren schweren Bearskin Hats ihren Dienst verrichten.

Auf der Piccadilly Line nach Covent Garden fährt die Tube endlich so, wie sie soll. In der U-Bahn nach Covent Garden funktioniert Team WHG auch endlich so, wie es soll: insert travelcard, take out travelcard, walk through turnstiles, pocket travelcard securely, proceed to escalator, stand on the RIGHT, proceed to the Piccadilly Line eastbound, get on the train and MIND THE GAP, get off at the third stop, …

12:30 Uhr: Covent Garden gefällt. Live Buskers und Street Artists. London Shirts und Markensneakers. Tesco und Toilet. Und fünf Liter Wasser.

14:00 Uhr: Chinatown und 1000 Lampions, mindestens! Eine ganz andere Welt. Am Leicester Square ist gerade leider keine große Filmpremiere. Nur Harry Potter ist da und Shakespeare natürlich. Trafalgar Square ist gesperrt und sieht so nicht gut aus, Piccadilly Circus dafür um so mehr. Riesige Leuchtreklame. Größer als die Leuchtreklame ist nur die Empörung der WHG-Kids, als aus dem Vier-Stunden-Shopping-Gerücht dann doch nur neunzig Minuten Freizeit werden.

16:45 Uhr: Heute geht es ohne Stress und suspended trains mit der U-Bahn zurück zum Bus. Wär‘ das doch am Dienstag genauso einfach gewesen!

18:00 Uhr: Wieder Alle am Coach Park; und ab zurück nach Hastings.

Day 5: Mission accomplished – easily.

Freitag, 28. Juni: Tea Ceremony und Bye-bye Hastings

08:15 Uhr in der Falaise Road: Die Reisetaschen sind jetzt im Bus, denn es ist Abreisetag. „The kids were very good,“ sagt Jacky, the Family Organizer. Man wünscht sich gegenseitig alles Gute. Man hoffe, sich im nächsten Jahr wiederzusehen. Bestimmt!

Dann geht Team WHG spazieren. Bergauf. West Hill. Verschnaufen auf englischem Rasen. Die Sonne scheint, ein frischer Wind weht und der Blick geht vom Hill über Old Town und Meer. Feedbackrunde in den Klassengruppen. Wie hat es den Kids gefallen? Die weißen Klippen bei Beachy Head waren beautiful, London war great, und sogar das interactive theatre play vom Montag wird als Programmpunkt für das nächste Jahr empfohlen. Gut sei auch gewesen, dass oft zusammen Picknick gemacht wurde. „Das hat uns als Stufe richtig zusammengebracht.“

Unten am Strand genießen die WHG-Kids ihre letzte Stunde am Meer. Trotz immer stärker werdendem Wind. Trotz Lehrer-Kurzvertrag zur Strandversetzung. Muss sich Hastings wirklich jedes Jahr tonnenweise Kies zurückholen, welchen das Meer nach Osten verschleppt hat?

Im Fishermen’s Museum steht ein alter Fischkutter und Team WHG obendrauf. Neben dem Museum steht eine Fotowand, Herr Brunner und Herr Paddags stehen dahinter, stecken ihre Köpfe durch die Löcher in der Wand und verwandeln sich in Fischer und Meerjungfrau. Lächerlich!

Darauf erst mal einen Tee! Teatime with Lady Rebecca. Alle nehmen eine aufrecht-korrekte Körperhaltung ein, der Ellbogen wird angelegt, die Tasse mit drei Fingern zum Mund geführt … DELICIOUS! Auch der Scone mit Cream and Strawberry Jam ist verdammt lecker! Cream Tea, sagen die Engländer dazu. Dann wird getanzt; erst zur Klaviermusik von Tabea, Carina, Emma und Jil, dann angeleitet durch Lady Rebecca klassisch in Linie und schließlich auch noch „Heee Macarena!“.

Am Nachmittag wird dann noch Proviant eingekauft. Hoffentlich nicht wieder kanisterweise stilles Wasser. Naja, wenigstens wissen jetzt die meisten, was eine Gallone ist.

17:00 Uhr: Busfahrer Oliver hält den Bus an der Seafront. Alle sind pünktlich, wie immer. Und dann geht es schnell Richtung Dover, so schnell, dass Team WHG schon um 19:05 Uhr auf der Spirit of France sitzt und den White Cliffs of Dover zum Abschied winkt. Zum Abschied auch pingelige Passkontrolle? Nicht der Rede wert. Ein französischer Grenzbeamter kommt noch auf britischem Boden durch den Bus und lässt sich im Vorbeieilen die Pässe präsentieren.

21:15 Uhr, MESZ: Auch Calais hat weiße Klippen. Schön sehen sie aus, so von der Abendsonne beschienen. Gleich ist Team WHG wieder auf dem Festland und in der EU.

Aber wo ist nur der Bus? Down the Yellow Stairs on Car Deck 5. Aber das ist riesig, dieses Car Deck. 65 WHG-Kids sind nun im Bus. Wo ist die 66? Ah, da kommt sie endlich. Verlaufen. Ein Irrgarten, dieses Car Deck 5!

„Wir sind früh dran,“ kommt nun die Durchsage von Oliver, dem Busfahrer. „Gebt euren Eltern Bescheid, dass wir voraussichtlich gegen 5:00 Uhr wieder in Neuwied sind.“

Etliche Schlafversuche, zwei Zwischenstopps und zwei Spuckbeutel später ist es dann geschafft. Busfahrer Oliver verabschiedet sich. Schön sei es gewesen mit Team WHG. Pünktlich seien sie gewesen, die WHG-Kids. Schön wäre gewesen, wenn sie immer zugehört hätten. Aber insgesamt: eine tolle Truppe. Applaus für Oliver, der stets sicher chauffiert und immer wieder landeskundlich kompetent informiert hat. Gerne hätte er noch dem ein oder anderen Im-Bus-Esser oder Dazwischenreder die „Ohren langgezogen“, aber dazu kommt es dann doch nicht mehr.

Am Samstagmorgen, dem 29. Juni 2024, um 5:00 Uhr ist der Lehrerparkplatz Seminarstraße überfüllt mit Eltern, Autos und einem silbernen Doppeldeckerbus. Schüler raus, Reisetaschen raus, „tschüss“ und „schön war’s“, die Fahrt ist aus.

Mission accomplished.